Grundlagen der Windmesstechnik

1. Grundlagen
Im Gegensatz zu den meisten Messgrößen der Meteorologie, die Skalare sind, ist die Windgeschwindig­keit ein Vektor. Zu ihrer vollständigen Bestimmung braucht man daher drei Angaben: entweder die drei Komponenten oder den Betrag und die (durch zwei Winkel bestimmte) Richtung. Da aber die Vertikal­komponente (zumindest im Mittel) meist sehr klein gegenüber den horizontalen Komponenten der Wind­geschwindigkeit ist und die Messung der Vertikalkomponente daher auch ziemlich schwierig ist, versteht man unter Windgeschwindigkeit in der Regel die Horizontalkomponente. Zu deren Bestimmung reichen zwei Angaben aus: entweder die beiden Komponenten (N-S, W-O) oder Betrag und Richtung. Ein Charakteristikum des Windes, das besonders bei hohen Windstärken ins Auge fällt, ist seine Böigkeit. Ent­sprechend den beiden Bestimmungsstücken der Windangabe unterscheidet man die Böigkeit der Windrichtung und die Böigkeit der Windgeschwindigkeit.

2. Die Bestimmung der Windrichtung
Die Richtung des Bodenwindes kann man grob ohne besondere Hilfsmittel schätzen. Genauer ist dies bei Rauchfahnen möglich, sofern mehrere Kamine etwas verteilt in der Windrichtung liegen. Als Windrichtung gilt immer jene, aus der der Wind kommt. Für die genauere Anzeige und insbesondere die Registrierung der Windrichtung verwendet man Windfahnen, deren Stellung mechanisch oder elektrisch (Kontakt-, Wi­derstands-, Drehfeldgeber) auf die Anzeige- bzw. Registriervorrichtung übertragen wird. Bei ihrer Aufstel­lung muss insbesondere darauf geachtet werden, dass sie keine bevorzugte Stellung haben und so - vor allem bei schwachem Wind - die Richtung falsch anzeigen.
Neben der Angabe der Windrichtung nach den 4 Himmelsrichtungen und ihren Unterteilungen ist vor allem im synoptischen Dienst die Angabe nach Winkelgraden üblich, wobei man die Einergrade wegen der Ungenauigkeit der Bestimmung (Böigkeit) weglässt. Es entsprechen einander:

36

03

06

09

12

15

18

21

24

27

30

33

36

N

NO

O

SO

S

SW

W

NW

N

Die Angabe 00 gilt für Windstille.

3.0 Die Bestimmung der Windgeschwindigkeit

Auch die Windgeschwindigkeit kann man ohne besondere Hilfsmittel schätzen. Die Angabe erfolgt dann entweder nach der Beaufort-Skala oder in äquivalenten Geschwindigkeitswerten.
Den einzelnen Stufen der Beaufort Skala sind charakteristische Auswirkungen des Windes auf dem Bin­nenlande (Rauch, Bäume usw.) und auf See (Wellen) zugeordnet. Die in der Tabelle angegebenen Be­reiche in m-s"1 gelten für einen Windmesser in 6 m Höhe. Sie lassen sich leicht in andere Einheiten um­rechnen.

1 m-s-1 =

3.6 km h-1

1 m-s-1 =

1.94 Knoten


Im synoptischen Dienst ist die Angabe der Windgeschwindigkeit in Knoten (= Seemeilen/Stunde) üblich.

 

Beaufort

Bezeichnung

m s-1

  0

Windstille

   0...0.5

  1

leiser Zug

     0.6...1.7

  2

leichte Brise

     1.8 …3.3

  3

schwache Brise

     3.4… 5.2

  4

mäßige Brise

    5.3 ... 7.4

  5

frische Brise

   7.5 ... 9.8

  6

starker Wind

   9.9... 12.4

  7

steifer Wind

12.5... 15.2

  8

stürmischer Wind

15.3... 18.2

  9

Sturm

18.3... 21.5

10

schwerer Sturm

21.6... 25.1

11

orkanartiger Sturm

25.2 ... 29.0

12

Orkan

>29.0


Die nahe liegende Methode, die Windgeschwindigkeit dadurch zu bestimmen, dass man die Luft markiert und die Bewegung der Marke verfolgt, wird - abgesehen von gelegentlichen Messungen dieser Art etwa bei mikrometeorologischen Untersuchungen mit Rauchballen, kleinen Ballonen u. a. - bei den aerologischen Windmessungen benutzt. Hierbei peilt man entweder einen am Ballon befestigten Sender (Radio­sender) oder einen Reflektor (Radar) an, berechnet den Weg des Ballons und daraus dann Betrag und Richtung des Windes in der jeweiligen Höhe. Zu dieser Windmessung mit Hilfe von Marken kann man auch die Schätzung von Windrichtung und -geschwindigkeit mit Hilfe von Wolkenspiegeln zählen.
Für die meisten Messungen der Windgeschwindigkeit benutzt man indirekte Verfahren, d.h. man schließt aus der Größe von Windwirkungen auf seine Stärke. Hier sind vor allem der Staudruck und der Wärme­übergang (Abkühlung) zu nennen, die den meist verwendeten Windgeschwindigkeitsmessverfahren zugrunde liegen. Eng verwandt mit dem Wärmeübergang ist der gelegentlich verwendete Stoffübergang (Verdunstung) und die bei Staudruckmessverfahren manchmal mitwirkende Reibung. Schließlich wäre noch die Schallausbreitung zu erwähnen. Gegenüber den beiden zuerst genannten Verfahren spielen die später aufgeführten eine untergeordnete Rolle.

3.1 Die Staudruckmessverfahren
Das gebräuchlichste Gerät zur Messung der Windge­schwindigkeit nach dem Staudruckverfahren ist das Prandtlsche Staurohr. Es besteht aus zwei ineinander geschobenen Rohren (siehe Zeichnung). Das innere Rohr ist vorne offen (Staudüse) und gegen das äußere Rohr abgeschlossen. Letzteres endet vorne in einer Halbkugel, in die das offene innere Rohr mündet. Hin­ter der Staudüse hat das äußere Rohr einen ringförmi­gen Schlitz (Ringdüse) oder zwei oder mehrere kleine Bohrungen. Nach den Gesetzen der Aerodynamik ist der Überdruck ps (Staudruck) auf einer senkrecht im Winde stehenden Fläche

ps = 0.5-pL-v2. (1)

Dabei ist v die Windgeschwindigkeit und pL die Luftdichte.
Der Gesamtdruck p1 an der Spitze des Staurohres setzt sich zusammen aus dem Staudruck ps und dem statischen Luftdruck p0

p1 = ps + p0 (2)

Der Druck an der Zylinderwandung des äußeren Rohres, p2, ist, da dort kein Stau auftritt, gleich dem statischen Luftdruck p0 minus einem dem Staudruck proportionalem Unterdruck, der aufgrund der spe­ziellen Konstruktion des Prandtlschen Staurohres so klein ist, dass er vernachlässigt werden kann.

p2 = p0- (3)

Die Differenz der beiden Drücke P2 und pi ist mit

Δp = p1 - p2 = 0.5-pL-v2 (4)

dem Quadrat der Windgeschwindigkeit proportional. Kennt man pL, so kann man aus der Druckdifferenz Δ nach

v=√[(2 •Δp) / pL]

V pl direkt die Windgeschwindigkeit v berechnen.
Verglichen mit dem üblichen Luftdruck ist Δp klein. Für 10 °C, 1013 hPa (pL = 1.25 kg-m-3) findet man

v:

0.1

0.5

1.0

  5.0

10.0

   50.0

m-s

Δ:

6.25 10`3

0.16

0.63

15.63

62.50

1562.5

Pa

Δ:

6.37 10`4

1.591 0`2

6.37 10`2

  1.59

  6.37

  159.3

mm WS


Man gibt Δp auch häufig in mm WS (1 Millimeter Wassersäule = 9.81 Pa) an.

Der Druck auf die Staudüse p1 und der Druck auf die Ringdüse p2 werden durch Schlauchleitungen auf ein Differenzmikromanometer übertragen. Dieses entspricht im Prinzip einer kommunizierenden Röhre (U-Rohr). Wirkt nun p1 auf die eine Seite der Flüssigkeit in der Röhre, p2 auf die andere, so wird die Flüs­sigkeit im Schenkel mit dem niedrigeren Druck solange steigen, bis der durch den Niveauunterschied der Flüssigkeit bewirkte Druckunterschied gleich dem Staudruck Δp ist. Da Δp sehr klein ist, ist der eine Schenkel des Mikromanometers geneigt. Ist α der Neigungswinkel, ρF die Dichte der Füllflüssigkeit und ΔI die Verschiebung des Endes des Flüssigkeitsfadens bei gleich bleibendem Niveau im zweiten Schenkel, der deswegen als breite Wanne ausgebildet ist, so beträgt die Druckdifferenz

Δp = ρF-g-ΔI-sin(α). (6)

Der bewegliche Schenkel kann in mehreren verschiedenen Neigungswinkeln festgestellt werden. Als Füllflüssigkeit des Mikromanometers wird gefärbter Alkohol (ρF = 791 kg-m-3) verwendet. Für die empfind­lichste Stellung des verwendeten Mikromanometers (sin(α) = 1/25 = 0.04) fin­det man bei 20 °C und 960 hPa die Zahlenwertgleichung

v = 0.7438 √Δl. (7)

Sie ergibt v in m s-1, wenn man ΔI in mm (Alkoholsäule) einsetzt. Bei kleinen Windgeschwindigkeiten (v<0.7 m-s-1) wird man also im Gegensatz zu großen Windgeschwindigkeiten kaum gute Messwerte er­warten können.
Für Registrierungen ist das hier beschriebene Mikromanometer nicht geeignet. Hierfür verwendet man vor allem Ringwaagen und Tauchkörper. Bei letzterem kann man durch geeignete Formgebung der Tauchglocke, in deren Inneres pi geleitet wird, während außen p2 herrscht, die Anzeige sogar linearisieren. Für echte Messungen bei v < 1 m-s-1 ist der Ausschlag jedoch ebenfalls kaum brauchbar. Da Δp mit dem Staurohr in Gleichung (5) nur dann berechnet werden kann, wenn die Düse in Windrichtung zeigt (Richtungsabweichungen bis ±15° bewirken noch erträgliche Fehler), sind die Staurohre an meteorologi­schen Stationen mit einer Windfahne gekoppelt.
Äußerlich ist eine Strömungssonde dem Staurohr sehr ähnlich, bei dieser strömt jedoch Luft durch das Rohr. Diese tritt an der Staudüse in das Rohr, strömt durch eine Messkammer und verlässt das Gerät über die Ringdüse. In der Messkammer lenkt die Strömung einen Doppelflügel (Staudruck- und Reibungswir­kung) gegen die Rückstellkraft einer Feder aus. Die mit Hilfe eines mit dem Doppelflügel verbundenen Zeigers ablesbare Auslenkung ist ein Maß für die zu messende Windgeschwindigkeit. Durch Düsen im Strömungsweg können verschiedene Messbereiche eingestellt werden.

Auf der Wirkung des Staudrucks beruht auch die Windanzeige mit Windplatten, die das wohl älteste Windmessgerät überhaupt darstellen und aus vertikal hängenden Platten bestehen, die durch den Wind angehoben werden. Ihre Abweichung von der Lotrechten ist ein grobes Maß für die Windgeschwindigkeit. Heute sind sie in der Praxis kaum noch vertreten. Dagegen werden gefesselte Schalenkreuze, d. h. Schalenkreuzanemometer mit vielen (bis zu 12) Schalen, die sich nur begrenzt um ihre Achse drehen können, noch heute verwendet. Das vom Staudruck bewirkte Drehmoment wird dabei von einer Feder kompensiert, so dass die Auslenkung (Drehwinkel) ein Maß für die Windgeschwindigkeit ist. Wegen des quadratischen Zusammenhanges zwischen Staudruck und Windgeschwindigkeit ist der Drehwinkel eine quadratische Funktion der Windgeschwindigkeit.


3.2 Die rotierenden Schalenkreuzanemometer
Rotierende Schalenkreuzanemometer beruhen zwar auch auf der Staudruckwirkung, stellen aber wegen des linearen Zusammenhanges zwischen der primären Messgröße (Umdrehungsfrequenz) und der Wind­geschwindigkeit eine eigene Gruppe dar. Sie tragen auf einer senkrechten Achse einen Stern von drei oder vier meist halbkugeligen Schalen. In einer Strömung rotieren sie um die Achse. Da die Schalen in jedem Augenblick der Umdrehung des Schalenkreuzes in einer anderen Stellung zur Strömung stehen, ist der zeitliche Verlauf des auf sie wirkenden Staudrucks eine sehr komplexe Funktion.
Zur Vereinfachung seien daher zwei gegenüberliegende Schalen betrachtet, deren Arme senkrecht zum Wind stehen. Das Schalenkreuz habe die der Windgeschwindigkeit v entsprechende konstante Umdre­hungsfrequenz v. Ist r die Entfernung des Schalenmittelpunktes von der Anemometerachse, so ist u = 2-r-π-v die Bahngeschwindigkeit des Schalenmittelpunktes. Da sich das Schalenkreuz so dreht, dass die momentane Geschwindigkeit der zum Wind hin konkaven Schale die gleiche Richtung wie der Wind sel­ber hat, ist die für den Staudruck maßgebende Relativgeschwindigkeit des Windes zur Schale durch (v-u) gegeben. Auf der anderen Seite bewegt sich die zum Wind hin konvexe Schale dem Wind entgegen. Für sie ist die Relativgeschwindigkeit des Windes zur Schale also durch (v + u) gegeben. In beiden Fällen ist der Staudruck dem Quadrat der Relativgeschwindigkeiten proportional. In dem hier betrachteten stati­onären Rotationszustand müssen - abgesehen von der Reibung (Achsenlagerung) - die von den beiden gegenüberliegenden Schalen ausgehenden entgegengesetzt gerichteten Drehmomente gleich sein. An­dernfalls würde ja eine Beschleunigung (Änderung der Drehzahl) auftreten, was der Voraussetzung stati­onärer Verhältnisse widerspricht. Dieses Drehmoment ist jeweils das Produkt aus dem Abstand des Schalenmittelpunktes r und der vom Staudruck bewirkten Kraft auf die Schale. Diese Kraft ist dem Stau­druck proportional. Der Proportionalitätsfaktor f ist jedoch für die konkave Schale (f-i) größer als für die konvexe (f2).

Die Gleichgewichtsbedingung lautet:

fi-r• 0.5•pL•(v - u)2 = f2-r • 0.5 •pL•(v + u)2. (8)


Hieraus folgt

V = [(√ f1+&radicf2)/(√f1-&radicf2)]• u

Die Bahngeschwindigkeit u der Schalen und damit die Rotationsfrequenz der Achse des Schalenkreuzes v = u/(2-r-π) ist also der Windgeschwindigkeit v proportional. Der Proportionalitätsfaktor in Gleichung (9) hat bei den üblichen Schalenkreuzen mit Halbkugelschalen Werte um 2.6. Daraus findet man f1/f2 ~ 5. Dies bedeutet, dass bei ruhendem Schalenkreuz (u = 0) die Kraft auf die konkave Halbkugel fünfmal so groß wie auf die konvexe Halbkugel (Windschnittigkeit).
In obiger Herleitung wurde Reibungsfreiheit vorausgesetzt. In Wirklichkeit kann natürlich die Reibung nicht vernachlässigt werden und in der Gleichgewichtsbedingung Gleichung (8) muss ein Reibungsterm stehen. Reibung macht sich zwar bei großen Windgeschwindigkeiten praktisch nicht bemerkbar, bewirkt aber, dass u = 0 wird, wenn v > 0 ; das heißt, dass sich das Schalenkreuz bei kleinen Windgeschwindigkei­ten nicht mehr bewegt. In der Praxis hat sich der Ansatz

v = a + b-u (10)

als hinreichend genau erwiesen, wobei für v < a u = 0 ist. Man nennt a die Anlaufgeschwindigkeit, ob­wohl das Schalenkreuz aus der Ruhe meist bei einem etwas höheren v anläuft. Für übliche Schalenkreu­ze hat a Werte zwischen 0.2 und 1 m-s"1, b den schon oben erwähnten Wert von 2.6.
Wegen der Reibung können mit Schalenkreuzanemometern Windgeschwindigkeiten unter a überhaupt nicht, etwas über a liegende nur fehlerhaft gemessen werden. Man versucht daher, a herabzusetzen, was durch leichtgängige Lagerungen, Umdrehungszählung mit Lichtschranken, Gewichtsminderung der Scha­len u. a. möglich, jedoch durch die doch nötige Robustheit des Schalenkreuzanemomenters begrenzt ist.
Obige Gleichungen gelten für zeitlich konstantes v. Bei rasch wechselndem v, also bei böigem Wind, macht sich die Trägheit bemerkbar. Sie bewirkt, dass die registrierte Windgeschwindigkeit glatter ist als die wirkliche Windgeschwindigkeit. Ferner passen sich Schalenkreuzanemometer zunehmendem v ra­scher an als abnehmendem v (f1<=> 5 •f2), so dass bei böigem Wind der berechnete Mittelwert höher ist als der wahre Mittelwert. Trotz dieser Nachteile werden Schalenkreuzanemometer überall verwendet. Dies verdanken sie neben der leichten Registriermöglichkeit vor allem der Unabhängigkeit ihrer Anzeige von der Windrichtung.
Eine vielfach gebrauchte Variante des Schalenkreuzanemometers ist das Kontaktanemometer, das heute noch im unzugänglichen Gelände ohne Anschluss an das öffentliche Stromnetz eingesetzt wird (Batterie­betrieb). Bei ihm wird die Umdrehung über eine Schnecke auf ein Kontaktrad übertragen, das nach N Umdrehungen einen elektrischen Kontakt schließt. Um das Stehenbleiben im Kontakt (und Leerlaufen der Batterie) zu vermeiden, werden Fallkontakte eingebaut, die nur kurzzeitig schließen. Ist n die Kontaktfre­quenz, so ist die Umdrehungsfrequenz v = N-n und die Bahngeschwindigkeit u = 2 • r • π •v = 2 •r •π •N •n. In die Anemometergleichung (10) eingesetzt ergibt dies mit

c = 2-r-n-N-b (11)

die Gleichung

v = a + 2 • r • π • v • b = a + 2 • r • π • N• b • n= a + c • n. (12)

Manchmal wird für ein Anemometer der Windweg angegeben. Er ist definiert als der Weg w, den ein Luftquantum zurücklegen muss um bei einem Schalenkreuzanemometer die Wirkung von z. B. N = 50 Umdrehungen des Schalenkreuzes zu bewirken:

w = ( N • v) / v. (13)

Für Einzelmessungen kann man die Zeit zwischen zwei oder mehreren Kontakten stoppen. Für Registrie­rungen lässt man durch den Kontakt eine Marke auf das Papier eines Chronographen schreiben. Die übli­chen Chronographen haben eine Trommel, die sich in einer Stunde einmal um ihre vertikale Achse dreht. Die Schreibfeder wird gleichzeitig etwa um 1 cm gesenkt, so dass auf dem Papier eine Spirale erscheint, die die Kontaktmarken trägt. Durch Ablesen der Zeit zwischen zwei Kontakten (Feinauswertung) oder Abzählen der Kontakte je Viertelstunde oder Stunde (Grobauswertung) erhält man mit Hilfe der Gleichung (12) entsprechenden Eichkurve den zeitlichen Verlauf der Windgeschwindigkeit.
Die modernen Schalenkreuzanemometer sind heute durchwegs mit Lichtschranken oder induktiven Im­pulsgebern ausgerüstet, die pro Umdrehung des Schalenkreuzes einen oder mehrere elektrische Impulse abgeben. Durch Zählen dieser Impulse in elektronischen oder elektromechanischen Zählern in einer be­stimmten Zeit (üblich sind 10 min oder 1 h) erhält man zeitliche Mittelwerte der Windgeschwindigkeit. Dabei kann durch den Einsatz von speziellen digital-elektronischen Steuerschaltungen (im einfachsten Fall durch Zwischenschaltung von elektronischen Untersetzern) oder durch den Einsatz von Mikropro­zessoren erreicht werden, dass die Windgeschwindigkeit in jeder beliebigen Einheit (m-s"1, km-h"1, Knoten) angezeigt wird.
Eine direkte Ablesung erlauben die Schalenkreuzhandanemometer, die den Zeigerausschlag mechanisch mit Hilfe der Zentrifugalwirkung erzeugen.
Setzt man auf die Achse des Schalenkreuzes einen Dynamo, so ist die erzeugte Spannung der Umdre­hungsfrequenz und damit v proportional. Man kann dann v direkt an einem entsprechend geeichten Volt­meter ablesen oder mit einem elektrischen Schreibgerät registrieren (Böenschreiber).
Den Schalenkreuzwindmessern verwandt sind die Flügelradwindmesser. Hier wird vom Wind ein dem Windmühlenrad ähnliches Flügelrad angetrieben. Auch bei diesen Anemometern ist die Drehfrequenz proportional der Windgeschwindigkeit. Ihre Anlaufgeschwindigkeit ist meist kleiner als die von Schalenkreuzanemometern. In der Meteorologie werden sie jedoch praktisch nur als Handwindmesser verwen­det, da sie richtungsabhängig sind und ihre Achse immer in die Windrichtung zeigen muss.


3.3 Die thermischen Windmesser
Heizt man einen Körper (z. B. elektrisch) auf, so hängt die Differenz zwischen Körpertemperatur und Luft­temperatur von dem Wärmeübergangskoeffizienten ai_ und damit von der Windgeschwindigkeit v ab (sie­he Aufgabe 2). Der Messfühler ist entweder ein zwischen zwei Spitzen eingespannter dünner Draht (Hitzdrahtanemometer) oder ein auf einen Quarz oder Keramikkörper verschiedener Geometrie aufge­brachter dünner Metallfilm (Heißfilmsonde) aus Platin oder Wolfram. Die von der Strömung abgeführte Wärme (Abkühlungsgröße) ist ein Maß für die Geschwindigkeit des anströmenden Mediums, wobei der sehr komplizierte Zusammenhang zwischen Partikelgeschwindigkeit und Wärmeabfuhr für die einzelnen Sondenformen im allgemeinen experimentell ermittelt werden muss, d.h. jeder Messfühler wird geeicht. Für den thermischen Gleichgewichtszustand gilt, dass der Wärmeverlust (Abkühlung) des Hitzdrahtes gleich der zugeführten elektrischen Leistung ist. Für Hitzdraht und Heißfilmsonden kann diese Beziehung bei einem bestimmten Überhitzungsverhältnis in einem gegebenen Strömungsmedium mit konstanter Tem­peratur durch die Gleichung

Rv/(Rv-R0) J2 = a + b • v1/n (14)

beschrieben werden. Dabei ist Rv der Warm- oder Betriebswiderstand der Sonde, R0 der Sondenwider­stand bei Medientemperatur, J der Heizstrom und v die Strömungsgeschwindigkeit. Die Konstanten a, b und n (= 2 ... 2.5) sind sondenformabhängig. Bei konstantem Heizstrom (Konstantstrom-Anemometer) ändert sich also der Betriebswiderstand der Sonde in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit.
In der einfachsten Ausführung liegt die der Luftströmung exponierte Hitzdraht- oder Heißfilmsonde in einem Zweig einer Wheatstonschen Brückenschaltung.. Der nahezu konstante Brückenstrom heizt die Sonde um & DElta;θ= 100 K bis 300 K gegenüber der Lufttemperatur θL auf. Die übrigen Brü­ckenwiderstände sind temperaturunabhängig, so dass die Temperatur bzw. der Betriebswiderstand Rv in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit über die Brückenausgangsspannung gemessen werden kann.
Um das Verhalten des Hitzdrahtes gegenüber Windschwankungen beschreiben zu können, muss die em­pirisch ermittelte Gleichung (14) durch einen zusätzlichen Term ergänzt werden, der die thermische Trägheit der Messsonde berücksichtigt. Man findet für eine Hitzdrahtsonde die folgende Näherungsglei­chung

Rv/(Rv-R0) J2 = a + b • v1/n + C/(Rv-R0)• (dRv / dt)

Hierin ist

c = C/(α • R0

die modifizierte Wärmekapazität des Drahtes mit dessen Wärmekapazität C und dessen Temperaturkoef­fizienten a des Widerstandes. Die Integration dieser Differentialgleichung führt schließlich zu einer Glei­chung für die Zeitkonstante τ, nach der sich das Anemometer nach einer plötzlichen Windgeschwin­digkeitsänderung bis auf 1/e an den neuen Windgeschwindigkeitswert angeglichen hat

τ = (Rv • c)/(R0 • ( a + b • v1/n)) (17)


Die Zeitkonstante τ ist proportional zur modifizierten Wärmekapazität und zum Widerstandsverhältnis rv/ro der Sonde, wobei Rv der langzeitige Mittelwert des Betriebswiderstandes des Sensors bei einer bestimmten mittleren Geschwindigkeit ist. Außerdem nimmt t mit zunehmender Windgeschwindigkeit ab. Mit dem Konstantstrom-Anemometer erhält man in der Regel bei Windgeschwindigkeiten um 10 m-s-1 Trägheitszeiten in der Größenordnung von 10 m s-1.
Im Gegensatz zum Konstantstrom-Anemometer, bei dem der Brückenstrom J konstant ist, wird bei den Konstanttemperatur-Anemometern die abfließende Wärmemenge stets durch eine Änderung des Brü­ckenstroms kompensiert, so dass die Sonde auf der eingestellten Überhitzungstemperatur bzw. einem bestimmten Widerstand gehalten wird. In diesem Fall ist die zugeführte Heizleistung oder - da die Brü­ckenwiderstände konstant sind - die Brückenspeisespannung ein Maß für die Windgeschwindigkeit. Im Prinzip besteht das Konstanttemperatur-Anemometer aus einer Wheatstone`schen Brü­ckenschaltung, deren Fehlspannung, hervorgerufen durch die Abkühlung der Sonde, durch einen Servoverstärker verstärkt und phasenrichtig der Brückenschaltung wieder zugeführt wird. Dadurch wird die Sonde wieder aufgeheizt und die Fehlspannung automatisch kompensiert. Bei dieser Betriebsart kann gesagt werden, dass die das Anemometer kennzeichnende Trägheitszeit um den Faktor 0.5-r-S verkleinert werden kann. Hierbei ist S die Steilheit des Servoverstärkers und r eine von dem Sensorwiderstand und dem Überhitzungsverhältnis abhängige Größe. Man erreicht damit Trägheitszeiten in der Größenordnung von 2 -10 µs.
Sowohl bei den Konstanttemperatur- als auch bei den Konstantstrom-Anemometern sprechen die Son­den auf jegliche Änderung der Wärmeabfuhr an, also auch auf eine Änderung der Lufttemperatur. Man strebt deshalb hohe Betriebsübertemperaturen (ca. 200 - 300 K über Lufttemperatur) der Sonden an, damit der relative Temperaturfehler klein bleibt. Bei stark unterschiedlichen Lufttemperaturen zwischen der Eichung und der Messung muss der Einfluss der Temperatur jedoch dennoch berücksichtigt, oder durch geeignete Kompensationsschaltungen mit einem Temperaturfühler eliminiert werden.
Der nichtlineare Zusammenhang zwischen Messgröße und Windgeschwindigkeit (v - J - 2n√v, wobei n je nach Sondentyp Werte zwischen 2. und 2.5 annehmen kann) bereitet in der modernen Datenverarbeitung keine Schwierigkeiten mehr. Bei Geräten mit optischer Anzeige der Windgeschwindigkeit wird häufig eine Linearisierung des Messwertes mit logarithmierenden Verstärkern durchgeführt.
Hitzdrahtsonden sind richtungsempfindlich und haben ihre maximale Empfindlichkeit bei achsensenkrechter Anströmung. Im Anströmwinkelbereich von 45° < 0 < 135° kann die auftretende effektive Windgeschwindigkeit angenähert werden durch:

veff = v • sin(θ). (18)

Dieser Effekt wird besonders bei Turbulenzuntersuchungen ausgenutzt, wenn etwa mit Hilfe von drei, nach Art einer Würfelecke, aufeinander senkrecht stehenden Hitzdrähten der 3-dimensionale Windvektor und dessen Fluktuationen gemessen werden sollen. Praktisch das gesamte empirische Wissen über die Turbulenz wurde mit Hilfe derartiger Geräte gewonnen.

3.4 Ultraschall Windmesser

Ein Ultraschallanemometer besteht meist aus vier, an den Ecken eines (virtuellen, also offenen) Tetraeders plazierten Ultraschallsendern/-empfängern. Dieses ebenfalls auf einem Mast montierte Gerät sendet von jedem der vier Sensoren Ultraschallwellen an die drei anderen Sensoren aus, wobei der Wind die Schallwellen sowohl horizontal als auch vertikal versetzt, so dass der Schall entsprechend zeitverzögert den nächsten Sensor erreicht. Aus dieser Verzögerung berechnet die Messelektronik die horizontale und vertikale Windgeschwindigkeit. Vorteile des Ultraschallanemometers sind die höhere Genauigkeit, das Fehlen von Trägheit im System und die zusätzliche Erfassung der vertikalen Windkomponente. Da die Schallgeschwindigkeit stark von der Temperatur der Luft abhängig ist, wird die Laufzeit des Schalles auf jeder der beiden Messstrecken in beide Richtungen gemessen. Dadurch kann der Einfluss der von der Temperatur abhängigen Schallgeschwindigkeit auf das Messergebnis durch Subtraktion der Reziproken der gemessenen Laufzeiten ausgeschaltet werden. Die Messrate hängt von der Schalllaufzeit auf den Messstrecken ab. Bei drei Messstrecken von je 20 Zentimeter Länge die nacheinander jeweils in beide Richtungen gemessen werden beträgt die gesamte Schalllaufzeit rund fünf Millisekunden. Somit sind bis zu 200 Messzyklen pro Sekunde möglich. Ein für meteorologische Messungen entwickeltes System ist das SODAR, mit dem man vertikale Messungen durchführen kann und bei dem sich Sender und Empfänger auf derselben Ebene befinden.

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